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Der Alpenverein braucht gar nicht so fortschrittlich zu tun [05.08.2015]
Der Österreichische Alpenverein hat zuletzt für eine vorbildliche Flüchtlings-Aktion Hasspostings und für den vorbildlichen Umgang mit diesen eine Menge Lob und Selbstlob geerntet (hier).
Aber deswegen sollte er nicht so tun, als sei er plötzlich zu den Fortschrittlichen übergewechselt. Denn zur gleichen Zeit, im selben Sommer 2015, geschieht dieses:
Auf dem Weg von Vent zum Hochjoch Hospiz (2.413 m) befindet sich seit 1937 in einer Felswand das mit einer bronzenen Gedenktafel abgedeckte Urnengrab des Waldemar Titzenthaler. Er war Vorsitzender (1922–1930) bzw. Ehrenvorsitzender (1930-1937) der Alpenvereinsektion Mark Brandenburg, deren alpines Kolonialgebiet in dieser Region war, wo sie auch drei Schutzhütten betrieb. „Betrieb“ deswegen, weil die Sektion aus guten Gründen 1945 verboten worden ist.
Die Sektion Mark Brandenburg ließ von ihrer Gründung (1899) an keine jüdischen Mitglieder zu (Arierparagraph) und verfolgte einen radikal deutschnationalen Kurs (hier). Dementsprechend ehrte der arg antisemitisch agierende Verein seinen 1937 verstorbenen „langjährigen Führer“ Waldemar Titzenthaler auch als „Kämpfer für das Deutschtum“.
2014 endlich, nach langer Diskussion und langem Abwägen, konnten sich Deutscher und Österreichischer Alpenverein, auf Vorschlag der Sektion Berlin, welche 1945 das frühere Arbeitsgebiet der aufgelösten Sektion Brandenburg übernommen hatte, dazu aufraffen, wenn schon nicht die provozierende Titzenthaler-Tafel zu entfernen, so doch zumindest darunter eine Steinplatte mit einem relativierendem Zusatztext anzubringen.
Die feierliche Enthüllung fand am 1. September 2014 statt.
Bereits wenige Wochen später hat ein, wie sagt man da korrekt?, Gefolgsmann des langjährigen „Führers“ der Sektion die Zusatztafel mit Hammer und Meißel gewaltsam entfernt.
So sah es danach aus und so sieht es heute noch aus.
Und was macht der Alpenverein jetzt? Gar nichts. Er will, auch weil der Enkel Titzenthalers mit einer Klage wegen Störung der Totenruhe gedroht hat (ja, wirklich!) keine neue Mahntafel mehr dort anbringen.
Schlimmer noch: Er will allen Ernstes einen Steinmetz beauftragen, die letzten Spuren seiner eigenen Zusatztafel zu beseitigen, „indem der Beton entfernt wird und die Vertiefungskanten abgeschrägt werden“.
Wenn sie einen guten Facharbeiter finden, kann die Stelle vielleicht wieder so aussehen wie vordem und das braune
Titzenthaler-Denkmal wird durch nichts mehr beeinträchtigt.
Motto: Sagen wir, es war nix!
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