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Der Titzenthaler weg [12.06.2020]
1927, mit der Fertigstellung der Alpenvereinshütte Hochjoch-Hospiz im hintersten Ötztal durch die Berliner Sektion Mark Brandenburg, ist dem Weg von Rofen dorthin in bester Kolonialherrenmanier – nach Waldemar Titzenthaler, dem damaligen Vorsitzenden der Sektion, – der Name Titzenthalerweg verpasst worden.
Die 1899 von der DAV-Sektion Berlin abgespaltene Sektion Mark Brandenburg war von Anfang an eine militant nationalistische, die „nur deutschstämmige Männer in ihren Reihen“ duldete und den „Arier-Paragraphen“ in ihren Satzungen führte. Waldemar Titzenthaler trat später auch vehement für den Ausschluss aller Juden aus allen Alpenvereinen ein und bejubelte 1933 die Machtergreifung durch Adolf Hitler.
Als er ein Jahr vor der von ihm geforderten Eingliederung der „deutschen Ostmark“ in das Dritte Reich starb, haben seine Gesinnungsfreunde am Titzenthalerweg eine schwere Bronzetafel zum Gedenken an diesen „Kämpfer für das Deutschtum“ angebracht.
Und jetzt ist der Titzenthaler weg.
Niemand weiß, was jetzt los ist.
Ich hatte ja im Herbst 2019 noch die sehr wechselvolle Geschichte dieser Tafel und die der Zusatztafeln Länge mal Breite dokumentiert.
Und jetzt sind, wie ein Landecker Ehepaar mir mitteilt und mit einem dieser Tage von ihm aufgenommenen Foto (danke!) belegt, auf einmal beide Tafeln, die heroisierende und die entheroisierende, die faschistische und die antifaschistische, verschwunden.
Was kommt jetzt?
Falls hier diese, ja: Vandalen, die zweimal den so notwendigen erklärenden Beipacktext zerstört haben, zur Einsicht gekommen sein sollten, dass solch plumpe Naziverehrung 2020 nicht mehr geht, dann wäre das schon ein Fortschritt. Also hofft man, dass die Titzenthaler-Tafel mit der inzwischen etwas verwitterten Frakturschrift nicht bloß zum Restaurieren abgenommen, sondern endgültig entfernt wurde und vielleicht in irgendeinem AV-Archiv schlummert und darauf wartet, späteren Generationen davon zu erzählen, wie unerträglich lange diese politische Provokation im öffentlichen Raum damals geduldet worden ist.
Möge die schöne rostigrote, vom Gletscher rundgeschliffene Felswand „im Prantlan“ künftig von solchen Botschaften verschont bleiben, auf dass aus den Bohrlöchern endlich Flechten und Moose sprießen und über diese Geschichte wachsen können.
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