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Touristische Hochstaplerei

Es muss alles höher, weiter, größer und mehr sein im Tiroler Massentourismus, mehr Nächtigungen, mehr Schneekanonen, mehr Pistenkilometer. Was ist, ist nicht genug. Bäume haben hier grundsätzlich in den Himmel zu wachsen.
Was nicht passt, wird passend gemacht. Geologie, die zu hoch ist, kann niedergesprengt werden, Geologie, die zu niedrig ist, kann hochgejazzt werden. In der Welt der Marktschreier.





Das Timmelsjoch ist ein alter, uralter Übergang vom Ötztal ins Passeiertal. Die niedrigste Stelle, das Joch, wird in der „Karte der Ötztaler Alpen / Blatt Gurgl“ des Österreichischen Alpenvereins 1949 korrekt mit 2478 m angegeben.
1958/59 wurde die Timmelsjoch-Hochalpenstraße auf der Tiroler Seite bis zur Passhöhe errichtet, 1967 die Verbindung auf der Südtiroler Seite fertiggestellt.
Am historischen Scheitelpunkt, der Staatsgrenze, wurde dabei die dort bestehende Senke etwas abgegraben, die Straße damit sogar noch ein paar Meter tiefergelegt.






1949, lange vor dem Bau der Timmelsjochstraße, wurde die Passhöhe mit 2478 m angegeben (links), auch in der aktualisierten „Alpenvereinskarte / Ötztaler Alpen / Gurgl“ vom Jahre 2000 findet sich exakt dieselbe Angabe (rechts).

Aber 2478 m (oder durch das Abgraben in Wahrheit noch etwas weniger) sind in der Scheinwelt der touristischen Superlative nicht genug. Es müssen komplett abgehobene, d.h. angehobene 2509 m sein. Denn nur damit liegt man höher als die Großglockner-Hochalpenstraße, die es am höchsten Punkt, am Hochtor, nur auf 2504 m bringt. Nur durch diese Hochstapelei wird man – Trommelwirbel! - zum höchsten befahrbaren österreichischen Alpenpass, ja, zum „höchsten Passübergang der Ostalpen“. Das sieht ganz nach unlauterem Wettbewerb aus.


Listig, hinterlistig oder arglistig?

Nicht nur die heute in privatem Besitz befindliche Cashcow „Timmelsjoch-Hochalpenstraße AG“ wirbt mit dieser offensichtlichen Konsumententäuschung, sondern völlig ungeniert auch die Veranstalter des Ötztaler Radmarathons.





Es ist nicht bloß eine Mogelpackung. Es ist bewusste Irreführung, Lüge, wo nicht Betrug. Die Verantwortlichen, die Unverantwortlichen, wissen das längst, die Feststellungen des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen sind ihnen bekannt.





Jede Wurstwaage beim Greißler und jede Zapfsäule an der Tankstelle wird regelmäßig vom Eichamt überprüft, damit sie nicht zu viel anzeigt und zu wenig liefert - so wie es die „Straßenräuber“ am Timml seit Jahren ungestraft tun.

Zahlen, Höhen, Längen, Größen sind enorm wichtig im Business, das mit Erlebnissen handelt. Tourismus ist das Geschäft mit Emotionen. Angeboten werden Einmaligkeiten: die längste Hängebrücke, der größte Wasserfall, die höchste Alpenstraße. Am Timml wird ein touristisches Produkt verkauft, das außen auf der Verpackung mit 2509 m angeschrieben, aber in der Verpackung dann nicht drinnen ist.

Die Betreiber ahnen vielleicht gar nicht, wie sie sich selber der Lüge überführen. Die Höhenangaben bei den jeweiligen Straßenkehren auf der österreichischen Seite sind ja alle korrekt angeschrieben. Die Kehre 11, die letzte vor dem Pass, ist noch mit ehrlichen 2459 m angegeben. Von dort sind es noch ca. 250 Längenmeter bis zur Passhöhe. Auf die fingierten 2509 m ergäbe das auf der kurzen Strecke eine Steigung von über 20 Prozent: steiler als am Zirler Berg und fast so steil wie in der Höttinger Höll. In Wahrheit sind es allerhöchstens 6 Prozent.


„Unglaubliche Höhenmeter“

Wenn die von den Werbefritzen angegebene Passhöhe also rein fiktiv ist, dann sind auch die ausgerufenen 5500 Höhenmeter beim Radmarathon in der Tat „unglaublich“.





31.5.2021


Süddeutsche Zeitung, 10.6.2021:



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Passfälscher in Tirol?

* * *


Die Tirol Werbung hat den „Timml“ jetzt downgesized

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