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Erler Orchestermusiker fordern das ihnen vorenthaltene Urlaubsentgelt ein
Musikerinnen und Musiker, die Jahr für Jahr im Juni aus den verschiedensten Weltgegenden zu den Orchesterproben nach Erl anreisen, dort bis zum Ende der Festspiele oft wochenlang ohne freien Tag durcharbeiten, sind offenbar jahrelang um die ihnen gesetzlich zustehende „Urlaubsersatzleistung für den Nichtverbrauch des Urlaubsanspruchs“ geprellt worden. In einem Schreiben an die Geschäftsführung mahnen sie nun ihr Recht ein.
Da die OrchestermusikerInnen am Tag nach der letzten Aufführung in Erl sich wieder in alle Winde verstreuen, Nord, Süd, West und vor allem Ost, haben sie in der Zeit in Erl keinen Urlaub konsumiert, dadurch jedoch unabdingbaren Anspruch auf die geldliche Ablöse der ihnen anteilsmäßig für die sechs Wochen Arbeit zustehenden Urlaubstage.
Die Geschäftsführung hat sich verraten
Die Dinge in Erl ändern sich und niemanden freut das mehr als mich selbst. Da 2019 plötzlich erstmalig und wie aus heiterem Himmel eine Urlaubsersatzleistung ausbezahlt wird, ist den MusikerInnen erst klar geworden, dass diese in der Vergangenheit wohl unterschlagen worden sein muss.
Dicke Spesenpauschale für den Chef, Dauerüberweisungen an seinen Wohnsitz in Italien usw., das Orchester aber wurde um seine Ansprüche geprellt (Symbolbild)
In einem in Englisch verfassten Schreiben an die Geschäftsführung, das mit „The musicians of the Orchestra of the Tiroler Festspiele Erl“ unterzeichnet und in Kopie auch an mich ergangen ist (mit dem verifizierten vollen Namen des postalischen Absenders auf dem Kuvert) begehren die „musicians“ jetzt mit vollem Recht die ihnen zustehende Vergütung rückwirkend auch für die vergangenen drei Jahre.
Die Festspiele Erl haben offenbar bislang diesen, wie es im Lohn- und Sozialdumpinggesetz heißt, „zwingenden Anspruch“ der Dienstnehmer dadurch zu unterlaufen versucht, dass sie in deren Verträge hineingeschrieben haben, dass „im Bruttobezug sämtliche arbeitsrechtliche Ansprüche für den Gesamtzeitraum abgegolten“ seien. Solche Abmachungen, welche die Rechte der MusikerInnen schmälern, sind, auch wenn sie von diesen unterschrieben wurden, nicht statthaft. Es gibt hier für ein Austricksen schlicht keinen Spielraum, wie mir auch ein Arbeitsrechtler bestätigt. Woher immer die Dienstnehmer auch kommen, ihre Beschäftigung hier unterliegt österreichischem Recht.
Übersetzung
In den seit dem Jahr 2016 geschlossenen Verträgen zwischen der Tiroler Festspiele GmbH und den Orchestermusikern wurde hinsichtlich der Urlaubsregelung dem geltenden Gesetz entsprechend verfahren: „Hinsichtlich des Urlaubes gilt das Urlaubsgesetz in der jeweils gültigen Fassung“.
Wir möchten höflich daran erinnern, dass der gesetzlich vorgesehene Urlaubsanspruch für Orchestermusiker während früherer Produktionen augenscheinlich nicht wahrgenommen werden konnte und in Folge auch nicht konsumiert wurde.
Seit dem Jahr 2019 ist es nun in unseren Verträgen dezidiert vorgesehen, dass „ein Urlaubsanspruch der Beschäftigten während der Festivalzeit nicht möglich ist“. Daher wurde das Urlaubsgeld ausgezahlt.
Dafür bedanken wir uns.
In den Jahren zuvor ist darauf jedoch offenbar vergessen worden: Seit 2016 ist keine finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs erfolgt.
Daher möchten wir hiermit die uns zustehende Abgeltung für die vorangegangenen Jahre der Rechtslage entsprechend rückwirkend geltend machen. Wir bitten, dies innerhalb des Folgemonats, längstens bis Ende Juli 2019, vorzunehmen.
Und wie reagieren die Festspiele auf die Forderung des Orchesters?
Natascha Müllauer, die als neue kaufmännische Geschäftsführerin in Erl die Abgeltung des Urlaubsanspruchs („extra financial compensation“) erst jetzt eingeführt hat, gibt sich, von mir auf das Schreiben angesprochen, reserviert. Sie gehe einmal davon aus, „dass die Urlaube in der Vergangenheit ordungsgemäß konsumiert wurden“. Wo denn? Wann denn? Zwischen Anreise und Abreise? Auch meint Müllauer, dass Einzelfallprüfungen für sie „schwer möglich“ seien. Ach, ja? Laut Gesetz hat der Beschäftigerbetrieb Arbeitszeitaufzeichnungen und Urlaubsaufzeichnungen zu führen. Punkt.
Zuschrift eines in Erl 2016 und 2017 tätig gewesenen Musikers
Aus einem Dienstverhältnis resultierende Entgeltansprüche jeder Art verjähren grundsätzlich binnen drei Jahren ab Fälligkeit (Juristensprech). Es ist daher zu erwarten, dass auch ehemalige Mitglieder des Erler Orchesters die ihnen zwischen 2016 und 2018 verwehrte „Urlaubsersatzleistung“ nun rückwirkend einfordern werden. Was insgesamt eine hübsche Summe an Nachzahlungen ergeben dürfte.
27.7.2019
Dieser Artikel in englischer Sprache
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