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Pioniere

Der Massentourismus, wie er heute in einigen Hintertälern in Tirol wütet, ist eine gewaltige Plage für Land und Leute. Sein ökologischer Fußabdruck, und noch mehr sein soziokultureller, ist verheerend. Trotzdem gelten die Drahtzieher immer noch als sakrosankte Heroen. Als Pioniere eben. Doch der Heiligenschein trügt.
Zwei Freilegungen.

Es geht um Heinrich Klier, Jahrgang 1926, und Hans Falkner, Jahrgang 1916, sogenannter Stubaier Liftkaiser der eine, sogenannter Ötztaler Liftkaiser der andere. Pioniere eben. Pioniere? Nein, Mitläufer im jeweiligen Mainstream, damals und später, vor 1945 und danach. Mitläufer, die nur schneller waren als andere, eigensüchtiger und beutegieriger. Vorher und nachher. Die ewigen Opportunisten. Sie haben weder die kuppelbare Umlaufseilbahn erfunden, noch den Gletscherskilauf, noch irgendetwas. Sie, die ihre eigene Pionierzeit, wenn schon, im Nationalsozialismus erlebten - und auch genossen, muss man hinzufügen.

Sehen wir uns also den massiven Sockel an, auf den die heutige Politik den beiden höchst zweifelhaften Helden des Fortschritts die Denkmäler hinaufgestellt hat.


Talkaiser 1




Heinrich Klier war den Dokumenten zufolge, die jetzt ausgeapert sind, bereits während seiner Schulzeit am Realgymnasium in Innsbruck Jungzugführer in der Hitlerjugend (HJ). Er führt dies nach dem Kriege in dem von ihm selbst ausgefüllten Standesblatt der Universität Innsbruck auch an und fügt verschämt, möglicherweise erst später - mit Bleistift - ein, dass er 1944 den Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt habe:





Die 1946/47 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck durchgeführten Erhebungen zur früheren nationalsozialistischen Betätigung der Studierenden ergeben auch bei Klier ein anderes Bild. Demnach war er nicht, wie von ihm oben noch behauptet, „Parteianwärter“, sondern der Partei am 20. April 1944, dem 55. Geburtstag des Führers, als schon halb Europa in Trümmern lag, beigetreten und hatte die Mitgliedsnummer 9,852.605 ausgefasst.





Trotzdem die Polizei Klier 1947 die „politische Unbedenklichkeit“ abspricht und ihn wie andere belastete Hörer vom Studium ausgeschlossen wissen will, darf er, die Entnazifizierung ist bereits am Einschlafen, an der Uni verbleiben und 1949 mit einer Dissertation abschließen.

Seine Prägung in der NS-Zeit führt ihn später (wie andere Gstudierte auch) zur Untergrundorganisation BAS (Befreiungsausschuss Südtirol) und zur Teilnahme an terroristischen Anschlägen.


Talkaiser 2



Bezirksblätter, 30.6.2009


Hans Falkner, als der Tourismuspionier Tirols schlechthin gehandelt, war, wie aus dem Entnazifizierungsakt hervorgeht, illegaler Nazi bereits seit 1933. Dementsprechend wird er nach dem Nazi-Einmarsch in Österreich von der Partei als „Alter Kämpfer“ anerkannt und ausgezeichnet.






Die Erinnerungsmedaille, auch Ostmarkmedaille genannt, konnten jene Personen beantragen, die sich in der Verbotszeit (1934 – 1938) besondere Verdienste um den „Anschluss“ erworben hatten.


Nach dem Anschluss 1938 wird Falkner Ortsgruppenleiter der NSDAP in Sölden, eine Funktion die er zunächst ein Jahr lang und dann erneut von 1941 bis 1944, insgesamt viereinhalb Jahre lang, innehaben wird.



Ortsgruppenleiter Hans Falkner, links im Bild, mit Gauleiter Franz Hofer (Mitte) anlässlich der Eröffnung des von den Nazis errichteten Schießstandes in Sölden (Oktober 1941)





„Falkner“, heißt es im Entnazifizierungsakt, „trat als überzeugter Nationalsozialist auf und bewahrte diese Einstellung bis zum Zusammenbruch“. Dies ist umso bemerkenswerter, als am 7. Jänner 1941 die Nazis seine Tante Nothburg (meine Großtante) in Pirna bei Dresden als sogenanntes unwertes Leben umgebracht hatten.

Am 2. September 1945 wird Hans Falkner von der französischen Besatzung verhaftet und ins Anhaltelager Brennbichl bei Imst verbracht, wo er drei Wochen lang festgehalten wird. Es geht um das Verbrechen nach dem Verbotsgesetz in der Zeit vor 1938, war es doch, wie es im Entnazifizierungsakt heißt, „während der Verbotszeit wohl bekannt, dass der Genannte mit der NS-Bewegung stark sympathisierte“. Am 2. Jänner 1946 wird Falkner erneut für mehr als drei Monate im Lager Brennbichl interniert.

Er selbst gibt 1946 – wahrheitswidrig - an, erst 1941 der Partei beigetreten zu sein: „Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie hoch meine Mitgliedsnummer war, doch glaube ich, dass sie über 7.000.000 lautete“. (Diese ominöse Zahl markiert die Grenze zwischen den Illegalen, die eine niedrigere Mitgliedsnummer hatten, und den erst nach der zeitweiligen Aufnahmesperre 1939 Beigetretenen mit einer höheren.) Hans Falkner hatte die Nummer 6,281.288. Im Akt wird auch seine Funktion als Scharführer und Truppführer der SA festgehalten.




1949 stellt Hans Falkner ein „Gnadengesuch um Nachsicht der Sühnefolgen“ an das Bundesministerium für Inneres, das von der Sicherheitsdirektion für Tirol befürwortet wird und dem das Ministerium wohl im Zuge der Einstellung der allermeisten Verfahren entsprochen haben dürfte (nicht im Akt).
In den 50er Jahren soll Hans Falkner die FPÖ bzw. deren Vorgänger, den deutschnationalen Verband der Unabhängigen (VdU), beim Aufbau der Bezirksstelle Imst finanziell unterstützt haben.


17.12.2015


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