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Lobbying für die TIWAG
Wie Ernst Strasser in Wien Einfluss auf die Regierung nahm
"Dies Österreich ist eine kleine Welt,
in der die große ihre Probe hält."
(Friedrich Hebbel)
In Österreich hat Ernst Strasser als Mitarbeiter und Partner der Agentur Hofherr Communikation jahrelang geübt, was er dann in Brüssel zur Vollendung führen wollte: die Beeinflussung der Regierung bei der Novellierung von Gesetzen.
Weil bisher nur eine Rechnung über Ernst Strassers Lobbyingtätigkeit für die TIWAG veröffentlicht wurde (hier), versuchen Hofherr und TIWAG nun den Eindruck zu erwecken, es habe eh nur diesen einen TIWAG-Auftrag an Strasser im zweiten Halbjahr 2007 gegeben.
Dem ist ganz und gar nicht so.
Bereits in der Bewerbung um den PR-Etat der TIWAG im Juni 2005 hat die Agentur Hofherr Communikation Ernst Strasser mit im Gepäck. In der Beschreibung ihres Netzwerks unter dem Stichwort Lobbying- und Medienplattform:
Im Herbst 2005 ist Strasser bereits in die Arbeit Hofherrs für die TIWAG eingebunden und sind auch direkte Gespräche zwischen ihm und Bruno Wallnöfer in Sachen Kraftwerksbau-Lobbying dokumentiert.
Da die TIWAG neben ihrer eigenen Marketingabteilung und der beauftragten Werbefirma und den Unternehmensberatern Delta Consulting und Sistema Consulting und der Platzer Media und der Hofherr Communikation nicht gut auch noch eine Strasser-Agentur Consulting, Coaching & Educating (CCE) offiziell beschäftigen kann, laufen Strassers Geschäfte über Georg Hofherr. Während bei Hofherr zu dieser Zeit der höchste Stundensatz für Beratung 170 Euro beträgt, darf Strasser 450 Euro pro Stunde in Rechnung stellen. Gäbe es in Tirol einen funktionierenden Landesrechnungshof, so hätte Strassers Tätigkeit bereits im Prüfbericht 2006 („Einschau bei der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG zum Themenbereich Marketing - Öffentlichkeitsarbeit, interne und externe Kommunikation und Sponsoring“) Erwähnung finden müssen.
Interner Aktenvermerk Hofherr Communikation: Laufend wird Strasser über die aktuelle Entwicklung informiert (hier 2006)
Dass Ernst Strasser von der TIWAG-Führung als subbeauftragter Lobbyist zu dieser Zeit längst offiziell akzeptiert wird, geht aus monatlichen Leistungsaufstellungen von Hofherr Communikation für die TIWAG hervor:
„A lobbyist is a lobbyist, yes." (Ernst Strasser)
Im Jänner 2007 bearbeitet Strasser den persönlichen Referenten von Josef Pröll, Ministeriumssprecher Daniel Kapp, und kann freudig nach Innsbruck berichten: „er ist einer kooperation sehr aufgeschloßen.“ (hier)
Hofherr-Checkliste: DW steht für Direktor Wallnöfer (TIWAG)
Man muss wissen, dass die TIWAG in dieser Zeit zusätzlich zu all den genannten Beratern in Sachen Kraftwerksoffensive noch den von Landeshauptmann van Staa abgehalfterten und dorthin abgeschobenen Landesrat Konrad Streiter als Konsulenten mit 18.500 Euro monatlich unter Vertrag hatte (mehr).
„You will not find in my papers something" (Ernst Strasser)
Vom Dezember 2007 ist ein hübsches Protokoll Strassers erhalten, das er nach einem Termin bei Wallnöfer angefertigt hat. Strasser, der immer noch nicht in der Lage ist, den Namen seines Auftraggebers richtig zu schreiben, hält darin zukünftige Einsätze als Lobbyist fest:
„Koordinieren, sondieren, einladen": Und weil die zu dieser Zeit kritische Berichterstattung des „standart“ für die TIWAG ein großes Problem ist, wird Strasser auch auf dessen Chefredaktion in Wien angesetzt.
Im Oktober 2007 war Ernst Strasser (wie fast jedes Jahr, siehe 2008) auf Einladung von Freund Jack Falkner beim Weltcup-Opening in Sölden dabei, was er prompt der TIWAG auch mit 450 Euro für Smalltalk mit Hofherr und van Staa plus 419 Euro für An- und Abreise in Rechnung stellt.
Angehängte Halbjahresrechnung ansehen
Da die über Hofherr abzuwickelnde Bezahlung bis Ende Jänner 2008 noch nicht erfolgt ist, schreibt Ernst Strasser sein berühmt gewordenes „ich nage am hungertuch“-Mail an den „georg“:
Die Achse Hofherr-Strasser festigt sich in dieser Zeit immer mehr, man lädt sich gegenseitig zum Essen ein, den Strasser nach Innsbruck und den Hofherr nach Wien:
In dieser Zeit reift auch der Plan, eine Hofherr-Niederlassung in Wien zu gründen und Ernst Strasser dort als Repräsentanten der Agentur zu installieren. Ob Strasser, wie an die Medien weitergegeben, an der Firma beteiligt wird, ist fraglich. Im Firmenbuch scheint er bei der Hofherr Communikation Gmbh Wien zu keiner Zeit als Teilhaber auf. Möglicherweise wurde eine andere Konstruktion gewählt. Auf jeden Fall findet die Agentur Hofherr im Oktober 2008 in Strassers Büroräumen in der Zaunergasse 4 Unterschlupf. Strasser darf auch seine Mitarbeiterin vorschlagen, wobei Hofherr dessen „guten Geschmack“ lobt. „Fr. Hauer“ wird übrigens später (ebenso wie seine Sekretärin Daniela Kaluza bei VCP - Vienna Capital Partners) Mitarbeiterin Strassers als Europaparlamentarier. Beim unten angesprochenen Jürgen B. handelt es sich um Jürgen Beilein, den heutigen Standortleiter von Hofherr in Wien und zumindest bis zu Strassers Abgang am 22. März 2011 Sprecher des EU-Abgeordneten.
„We can try to influence people, who are in the committee" (Ernst Strasser)
Wie im Mail oben ersichtlich gilt nun die ganze Kraft dem Lobbying bei der Bundesregierung. Nach den Wahlen im Oktober sind die Koalitionsverhandlungen im Gange und es muss im Auftrag der TIWAG mit allen Mitteln versucht werden, den Weg für deren Kraftwerksprojekte frei zu machen. Es geht darum, günstige Formulierungen in die Regierungserklärung hineinzureklamieren und einengende Passagen zu verhindern. Am 4. November 2008 geht Strasser von der TIWAG ein „Vertrauliches Dokument“ zu, das die Aufnahme des „angemessenen Ausbaus der heimischen Wasserkräfte“ und die „Gewährleistung des hiefür erforderlichen Rechtsrahmens in das Arbeitsprogramm der künftigen Bundesregierung“ erwirken soll. Ernst Strasser ist mit dem eher unverbindlichen Text nicht zufrieden:
Hofherr und Strasser teilen sich die Opfer für ihr Lobbying schön auf. So nimmt sich Strasser Bartensteins Kabinettschef Holger Fürst vor, den er aus seiner Regierungszeit kennt, und geht Hofherr auf Molterers Kabinettschef Ralf Böckle los, den er aus gemeinsamen Aktionsgemeinschaftszeiten kennt.
Gleichzeitig gilt es, auch die Gegenkräfte bei den NGOs zu neutralisieren. Strasser baggert Gerhard Heilingbrunner an, der sich aber in Hinsicht auf seine anstehende Wiederwahl als Präsident des Umweltdachverbandes (ÖGNU) nicht mit der E-Wirtschaft sehen lassen möchte.
„Every day they are calling me, ‚Hey, Ernst, do something'" (Ernst Strasser)
Im Ambassador, wo Strasser und Hofherr mit dem TIWAG-Chef standesgemäß tafeln, wird festgelegt, was in die Koalitionsvereinbarung hineinlobbyiert werden soll. Das ist unsere schöne Sonntagsdemokratie, Wahlsonntagsdemokratie, wo das Volk aufgrund eines Wahlprogramms entscheidet und die Kraftwerkslobby dann etwas anderes in das Regierungsprogramm hineinschreiben lässt. Offenbar liegt zu diesem Zeitpunkt der TIWAG bereits die Rohfassung des Koalitionsabkommens vor. Georg Hofherr schlägt Ernst Strasser wichtige Änderungen vor:
Und tatsächlich gelingt es dem Lobbyisten Strasser im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode (hier) aus den „sensiblen Gebieten“ „schutzwürdige Gebiete“ zu machen und die „Straffung der UVP-Verfahren“ dort zu verankern.
Bereits vor den Medien und Tage vor der offiziellen Präsentation liegt der TIWAG „der vertrauliche Text aus dem Regierungsprogramm“ vor und gratuliert man sich zum erfolgreichen Lobbying:
„When you go there as a MEP, this is something, it opens a door in another way" (Ernst Strasser)
Die Tätigkeit Strassers für die TIWAG geht auch 2009 munter weiter. Strasser wünscht für das neue Jahr „alles gute, vor allem lebensfreude und lebenslust, gesundheit und das quentchen glück, das man braucht, damit es einem gut geht.“
Ein großes Quäntchen Glück hat Ernst Strasser im März 2009, als er von Parteiobmann Josef Pröll zum Spitzenkandidaten der ÖVP für die EU-Wahlen ausgerufen wird. Für Hofherr kein Grund, auf den „lieben ernst“ als Lobbyisten zu verzichten, der im Auftrag der TIWAG auf die Neuformulierung des UVP-Gesetzes Einfluss nehmen soll:
Auch in einem internen Strategiepapier der Agentur Hofherr vom Mai 2009 ist Ernst Strasser in puncto „Lobbying UVP-Gesetz und WR-Gesetz“ fix eingeplant:
Der Rest ist bekannt.
Am 7. Juni 2009 ist Ernst Strasser 2009 ins Europaparlament gewählt worden und damit in die höhere Liga des Lobbyismus aufgestiegen.
1.4.2011
Reaktionen:
Zu obenstehender Dokumentation über Strassers Lehrjahre als Lobbyist gibt es sehr gute Artikel in mehreren Medien:
Der Standard - mit über 1000 Postings
Heute
Vorarlberger Nachrichten
Profil:
Profil, 4.4.2011
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