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Lebenshilfe Tirol: Der Wohnrechte-Betrug
Die Lebenshilfeführung hat, um mehr Geld in ihre Kassen zu spülen, das den Behinderten landesgesetzlich zugesicherte Recht des betreuten Wohnens diesen noch einmal als eingetragene Dienstbarkeit verkauft. Um 300.000, 500.000 oder 800.000 Schilling, je nach Erpressbarkeit ihrer Eltern. Erzwungene Schenkungen. Schimmelverträge. Geschäfte mit Unmündigen. Täuschung? Wucher? Nötigung? Es gilt die Betrugsvermutung. Material für den Staatsanwalt.
Zobls Wohnunrechtsverträge
Wie die Lebenshilfe Tirol Behinderte um viel Geld gebracht hat
Der Verkauf mehr oder weniger wertloser Wohngenussrechte an Behinderte bzw. an deren Angehörige war eine Spezialität der Lebenshilfe Tirol. Aus anderen Bundesländern ist dieser Trick, dieses Spiel mit der Angst der Eltern, nicht bekannt. Frontmann, das heißt Vertragskeiler, war in vielen Fällen der Innsbrucker Notar Hanspeter Zobl, von 2000 bis zum ersten Artikel über ihn auf dieser Seite im Dezember 2010 auch Präsident des Vereins Lebenshilfe und Aufsichtsratspräsident der gemeinnützigen Lebenshilfe GesmbH.
Seine Wohnrechtsverträge hat Zobl gern bei Elternabenden aggressiv beworben („aufgelockert durch sexistische Witze“ – so ein Teilnehmer) mit der Aufforderung, die Eltern der behinderten Kinder sollten ihr Geld jetzt ausgeben, sonst greife nach ihrem Tod der Staat im Rahmen seiner Regressansprüche auf ihren Besitz zu. Von anderen Möglichkeiten, wie etwa der eines Vorerbes oder eines Behindertentestaments, um die ein Notar natürlich weiß, kein Wort.
Als potenzielle Opfer ausgesucht hat sich die Lebenshilfe vor allem Klienten mit unbefristetem Bescheid, das heißt Menschen, die vom Amt sozusagen das Urteil „lebenslang Lebenshilfe“ bekommen haben, eine pädagogisch längst veraltete und auch behindertenfeindliche Einstufung, die sie aber zu perfekten Kunden für ein lebenslanges Wohnrecht macht.
Zobl zur Vertragserrichtung in seiner Kanzlei: „Wenn ich’s auswärts geben hätt, hätt’s doppelt soviel kostet und vielleicht die Qualität wär auch nicht so gut gewesen.“ (Pressekonferenz, 22.12.2010)
Nicht so gut für wen? Für ihn selbst?
Hanspeter Zobl war nicht nur Vizepräsident und später Präsident der Lebenshilfe, sondern meistens auch der vertragserrichtende Notar. Ein solcher ist in Österreich eine öffentliche Urkundsperson und hat unparteiisch und neutral zu beraten. Zobl war als maßgeblicher Funktionär der Lebenshilfe natürlich Partei, auch wenn offiziell nur der damalige Präsident Bruno Bonapace (Prokurist der TIWAG) und der Finanzreferent Anton Laucher (Raiffeisenlandesbank) seine Wohnrechtsverträge auf Seiten der Lebenshilfe unterschrieben haben.
Obwohl Zobl sich eines sogenannten „Schimmel-Vertrages“ bedient hat, in dem nur der Name und die Kaufsumme auszutauschen waren, hat er für jeden einzelnen voll bei den Behinderten abkassiert. Eine Mutter zeigte mir „ihre“ Zobl-Honorarforderung für den Wohnrechtsvertrag in der Höhe von 13.280 Schilling. Ein besonderer Glückstag für den damaligen Lebenshilfevizepräsidenten und Notar war der 25. September 1995, an dem er gleich vier solcher fast völlig identischer Wohnrechtsverträge abwickeln und auch viermal kassieren konnte.
Wohnrechtsverträge wohlgemerkt, denen offenbar keine erbrachte Leistung gegenübersteht.
Zobls Schimmel-Verträge, oben mit Frau J., in der Mitte mit Frau M. und unten mit Frau V., jedes Mal mit demselben Tippfehler in „Versorgungslei(s)tungen“
Die eingebauten Fallgruben in den Lebenshilfe-Verträgen
1
Dem Wohnrechtskäufer wird, auch für 800.000 Schilling, kein Mindestmaß an Wohnfläche zugesichert, keine zwölf oder zehn oder auch nur acht m², sondern nur ein „Wohnungsrecht gemeinsam mit anderen Personen an der gesamten Wohnung“. Im Vertrag ist denn auch zweimal verräterisch nur von einem „Wohnplatz“ die Rede.
2
Es ist auch nirgendwo festgehalten, wie viele „andere Personen“ der Vertragspartner, die Lebenshilfe, in dieser Wohnung gemeinsam unterbringen oder im schlimmsten Falle in diese Wohnung pferchen darf – zwei, vier oder noch mehr.
3
Obwohl die Eltern ein lebenslanges Wohnrecht erkauft haben, bekommen sie, sollte ihr behindertes Kind nach Ablauf einer zehnjährigen Nutzung des Wohnrechts eine andere Bleibe finden, von den ausgegebenen dreißig, vierzig oder fünfzig tausend Euro keinen einzigen mehr zurück.
4
Hofherr Communikation, die PR-Agentur der Lebenshilfe, hat in einer Medieninformation am 17.12.2010 verbreitet, es sei in „diesen Verträgen sichergestellt, dass … dieses Wohnrecht anteilig abgezinst wird, sollte es nicht länger als 10 Jahre aufgrund eines frühzeitigen Todesfalls benützt werden“. Das ist eine glatte Lüge. Im Vertrag steht nämlich:
5
Das Wohnrecht für den Behinderten erlischt auch, wenn „aus gesundheitlichen oder anderen Gründen ein Verbleib im Wohnheim für den Verein Lebenshilfe Tirol oder für die Mitbewohner untragbar ist. Diese vorzeitige Vertragsauflösung bedarf jedenfalls der Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten“, offenbar jedoch nicht einer solchen seines Sachwalters oder des Pflegschaftsgerichtes.
6
In diesen skrupellosen Wohnrechtsverträgen ist nur der nackte Wohnplatz zugesichert. Auch wenn der Lebenshilfe-Vorstand, ÖVP-Landtagsabgeordneter Jakob Wolf öffentlich anderes absondert („Wir von der Lebenshilfe garantieren mit den Verträgen, dass sie … ein Leben lang bleiben können und betreut werden.“), verpflichtet sich die Lebenshilfe nur insofern die „im Wohnbereich befindlichen behinderten Menschen zu verköstigen und im erforderlichen Ausmaß zu betreuen, soweit die Kosten hiefür von der öffentlichen Hand getragen werden.“
7
Nirgendwo in den Verträgen steht, wer für den Erhalt der Wohnrechtswohnung aufzukommen hat. In einem mir vorliegenden Fall haben die Eltern die Lebenshilfewohnung auf eigene Kosten (mehrere hunderttausend Schilling) umbauen und adaptieren müssen.
8
Nicht alle Wohnrechtsberechtigten sind bereits in ihre Wohnrechtswohnung eingezogen, sei es, weil sie noch von den Eltern betreut werden, sei es, weil sie noch in einer anderen Einrichtung untergebracht sind. Bis dahin nutzt die Lebenshilfe deren Wohnungen und kassiert dafür, ohne dass dies den Wohnrechtsinhabern abgegolten würde.
9
Die Lebenshilfe hat in den Wohnunrechtsverträgen scheinheilig zugesichert:
Nachweis für die ausschließlich zweckentsprechende Verwendung des Geldes hat sie jedoch keinen zu erbringen. Die durch den Verkauf der Wohnrechte eingenommenen Gelder (ohne Verzinsung zumindest 857.673 Euro) sind alsdann auch im allgemeinen Budget der Lebenshilfe aufgegangen.
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Die Preise für den Erwerb eines Wohnrechtes sind ohne jeden Bezug zur Wohnungsgröße oder zum Alter des behinderten Menschen vollkommen willkürlich festgesetzt worden. So hat die Lebenshilfe für ein und dieselbe Leistung zwischen 20.000 und 58.000 Euro genommen, je nachdem, wie viel man den Eltern abpressen konnte. Als jemand, von dem die Lebenshilfe eine Million Schilling haben wollte, „nur“ 800.000 bezahlen konnte, hat er den Wohnplatz um 800.000 bekommen. In einer Dreierwohnung in Innsbruck haben zwei Bewohnerinnen je 500.000 Schilling und eine dritte 800.000 Schilling für völlig gleichwertige Wohnplätze bezahlt. (Wobei 500.000 schon viel zu viel sind.)
Schon aus dem Grunde, dass die Lebenshilfe für ein und dieselbe Leistung komplett unterschiedliche Summen kassiert hat, sollte die Liste der durch die Wohnrechtsverträge Geschädigten nie bekannt werden. (Bis heute weiß niemand, ob obige Aufstellung überhaupt vollständig ist.)
11
Mit den Wohnrechtsverträgen hat die Lebenshilfe behinderten Menschen bzw. ihren Angehörigen eine Leistung verkauft, die ihnen bereits vom Land Tirol im Rehab-Gesetz ganz klar zugesichert ist. Das Recht auf Wohnen in einer entsprechenden Einrichtung ist nämlich mit der Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme (aufgrund einer festgestellten Behinderung) untrennbar verbunden.
Es fehlt daher von Seiten der Lebenshilfe prinzipiell die konkrete Gegenleistung für das abgeknöpfte Geld.
12
Der Landesrechnungshof ist in seiner Beurteilung der Verträge 2005 fälschlich davon ausgegangen, den Wohnungsberechtigten werde „das lebenslange, betriebs-, strom—und heizkostenfreie Wohnungsrecht“ eingeräumt. In Wahrheit kassiert die Lebenshilfe zum Teil saftige Betriebskosten, so etwa für eine bescheidene Wohnung, die sich drei behinderte Frauen teilen, Monat für Monat 400 Euro.
13
Wenn Zobl behauptet, „die Wohnrechtsverträge sind alle vom Pflegschaftsgericht genehmigt worden“ (Pressekonferenz am 22.12.2010), so lügt er. Mir liegen mehrere Wohnrechtsverträge der Lebenshilfe mit behinderten Menschen vor, die von Zobl ohne Einschaltung eines Pflegschaftsgerichts fixiert wurden.
14
In mehr als einem Fall hat der Notar (!) Zobl sogar seine Wohnrechtsverträge von nicht geschäftsfähigen (!) Behinderten und nur von diesen (!) unterschreiben lassen.
Nach dem österreichischen Gesetz ist es „dem Notare untersagt, mit solchen Personen eine Amtshandlung vorzunehmen, rücksichtlich deren er weiß oder mit Grund annehmen muß, daß sie wegen Minderjährigkeit oder aus einem anderen Grunde zu dem vorzunehmenden Rechtsgeschäfte unfähig seien“ (§ 34, Abs. 2, Notariatsordnung).
15
Zobl hat diese Unterschriften der offenbar nicht Unterschriftsfähigen als vereidigter Notar auch noch beglaubigt.
In einem mir vorliegenden Fall wurde ein damals 35jähriger Behinderter, zehn Monate nachdem er vor den Augen Zobls einen Wohnrechtsvertrag und eine Schenkung eigenhändig in der Kritzelschrift eines Zweitklässlers unterschrieben hatte, unter Sachwalterschaft gestellt, weil er „nicht in der Lage ist, alle seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen“.
Drei Fallbeispiele
Fall S. (Außerfern)
Die Lebenshilfe hat 2001 in Reutte ein Wohnheim errichtet und wollte die Kosten unter anderem „durch die Einräumung von Wohnungsgebrauchsrechten“ wieder hereinbekommen. So hat sie versucht, den Eltern des Klienten S. ein Wohnrecht um 350.000 Schilling aufzuschwatzen: „Da wir dafür nicht einmal einen verbindlichen Vertrag bekommen hätten, haben wir mit Hilfe unserer Anwälte diese Zahlung verhindern können.“ Seitdem hebt die Lebenshilfe von der Familie S. aber 110.- Euro an monatlicher „Benützungsgebühr“ für diese Wohnung ein.
Fall V. (Innsbruck)
Als die Eltern bei der Lebenshilfe um einen Wohnplatz für ihre behinderte Tochter anfragen, wird ihnen erklärt, dass keiner frei sei. Daraufhin begeben sie sich selbst auf die Suche nach einer geeigneten Wohnung im Raum Innsbruck, die sie zusammen mit zwei weiteren Elternpaaren behinderter Töchter kaufen wollen, um diese dort von der Lebenshilfe betreuen zu lassen. Sie finden eine passende Wohnung, die auch der Lebenshilfe zusagt, und wollen den Kaufvertrag abschließen. Als sie dazu in der Kanzlei Zobl erscheinen, erklärt ihnen dieser plötzlich, dass das so nicht möglich sei, „die Direktion“ der Lebenshilfe erlaube das leider nicht. Das gehe nur so, dass die Lebenshilfe selbst die Wohnung kaufe (Vertrag Zobl) und sie, die drei behinderten Frauen, sich dort ein Wohnrecht (Vertrag Zobl) erwerben. Was sie in ihrer Not auch getan haben. Eine Mutter: „Wir sind unter Druck gesetzt worden.“
Zusammen haben sie 1,8 Millionen Schilling hingelegt für drei Wohnplätze. Das waren drei Viertel des Gesamtkaufpreises der Lebenshilfe für das Objekt (inkl. 125 m² Grund und Garage, an denen die Bewohner kein Nutzungsrecht haben). Die Eltern mussten ihren Kindern das Geld für den Kauf der Wohnrechte in einer Schenkung (Vertrag Zobl) übertragen und auf ein Konto der Behinderten einzahlen. Die wohl nicht geschäftsfähigen Töchter mussten mit ihrem volksschülerhaft hingemalten Namen auch noch eine Erbverzichtserklärung auf das Vermögen ihrer Eltern (Vertrag Zobl) „unterschreiben“. Zu alldem mussten die Eltern die Lebenshilfewohnung selbst um einige hunderttausend Schillinge adaptieren und einrichten. Dazu kamen die Kosten für die Zobl-Verträge plus bis zu 38.000 Schilling an Abgaben und Gebühren pro Familie.
Fall W. (Oberland)
Die Lebenshilfe hat Herrn W. 1998 um den Barbetrag von 539.427 Schilling ein lebenslanges Wohnrecht in ihrem Wohnheim verkauft. Im Jahre 2007 wurde W. in eine ambulant betreute Wohnung umgesiedelt, wo er seitdem 360 Euro Miete zu bezahlen hat. (Die Lebenshilfe gewährt, nach anfänglicher Ablehnung, dazu einen Zuschuss von 150 Euro monatlich.) Die Wohnung, in die er sich mit 39.201 Euro eingekauft hat, wird seitdem von der Lebenshilfe weitervermietet.
Wiedergutmachung
Zu fordern ist nicht weniger, als dass die Lebenshilfe Tirol diese Wohnrechtsverträge überall dort, wo Eltern, Angehörige oder Sachwalter es wünschen, samt und sonders rückabwickelt und die erschwindelten Summen samt Zins und Zinseszins zurückbezahlt.
Den Vertragsopfern ist zu raten, sich dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen die Lebenshilfe eingeleiteten Strafverfahren wegen schweren, gewerbsmäßigen Betrugs als Privatbeteiligte anzuschließen zur Geltendmachung des Schadens, den sie durch die mutmaßliche Täuschung erlitten haben. Damit steht ihnen auch Akteneinsicht im Verfahren zu.
Obwohl das Land Tirol bereits im Jahre 2002 damit gedroht hat, gegen die Wohnrechtsverträge der Lebenshilfe vorzugehen, ist bis heute nichts passiert.
Der Wohnrechts-Betrug zeigt in besonders erschreckender Weise, wie die Lebenshilfeführung mit den ihr anvertrauten behinderten Menschen umgeht, nämlich, wie sie diese benutzt und ausbeutet, um Einnahmen zu lukrieren, die dann in der Führungsetage üppig verteilt werden.
Muster einer Lebenshilfe-Wohnrechtsvereinbarung
Zum Nachlesen die bisherigen Artikel über den Lebenshilfe-Skandal:
Würden Sie diesem Herrn eine Großspende für die Lebenshilfe anvertrauen?
Die Chefetage ist die wirkliche „geschützte Werkstätte“
Was wusste der Altvorstand?
22.02.2011
Reaktionen:
Tiroler Tageszeitung, 27.2.2011
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