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Wie so eine TIWAG-Hauptversammlung aussehen könnte, hat mich schon immer interessiert
Wenn bei der TIWAG ganz wichtige Entscheidungen anstehen, dann gibt es eine „außerordentliche Hauptversammlung der Aktionäre“. Nicht nur eine normale Versammlung, sondern eben eine Hauptversammlung. Ist ja klar. Wo sich dann die Aktionäre tummeln. Man muß sich einen großen Saal vorstellen. Im Kongreßhaus vielleicht. Passend dekoriert. Eine vornehm gedruckte Einladung mit Tagesordnung. Drei Wochen im voraus wahrscheinlich.
Falsch!
Nein, schon richtig: Wenn bei der TIWAG ganz wichtige Entscheidungen anstehen, dann gibt es eine „außerordentliche Hauptversammlung der Aktionäre“. Zum Beispiel, wenn es um den Beschluß geht, das Kraftwerk Sellrain-Silz im Wege einer Cross-Border-Leasing-Transaktion an die Trusts zweier us-amerikanischer Konzerne zu verschachern. Aber da braucht es keine Einladung und auch keine ausgesandte Tagesordnung. Das hat man sich ganz anders vorzustellen: Als Ein-Mann-Stammtisch von Ferdinand Eberle am frühen Morgen. In seinem Büro! Trotzdem muß es dabei nicht unbedingt nüchtern zugehen. Von einsam keine Spur. Denn meistens hat er ja dort noch einen sitzen vom Vortag.
Protokolle von solchen „außerordentlichen Hauptversammlungen der Aktionäre der >TIWAG-Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft<“, und damit „über die bei dieser Versammlung gepflogenen Verhandlungen und gefassten Beschlüsse“ liegen uns vor. Und lassen tief blicken. Nicht ins Glas, wie weiland den Vorsitzenden, sondern in Abgründe.
Da Ferdinand Eberle fast immer voll ist, ist auch eine Vollversammlung praktisch immer möglich. Wenn er also, sagen wir am 30. August 2001, in sein Büro im Landhaus poltert und ihm grad nach einer „außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre der TIWAG“ ist, dann ruft er einen Notar als Schreiber und zwei TIWAG-Bedienstete als Zuschauer und Befehlsempfänger (ohne Stimmrecht!) zu sich. Der Notar notiert:
„Zur heutigen Hauptversammlung sind erschienen:
A) Vom Aufsichtsrat Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Ferdinand Eberle (Vorsitzender);
B) Vom Vorstand Herr Dipl. Ing. Dr. techn. Herbert Hönlinger;
C) Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Ferdinand Eberle als Vertreter des Alleinaktionärs Land Tirol;
D) Herr Mag. Georg Pranter, Innsbruck“
Gewiß ein eigenartiges Phänomen, daß einer, der aufgrund schwerer Alkoholeinwirkung doppelt sieht, seinerseits bereits doppelt gesehen wird. Aber bitte. Jedenfalls ist damit notariell beglaubigt festgestellt, daß Eberle wieder einmal „einen bei sich gehabt hat“.
„Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Eberle übernimmt gemäß § 15 /Paragraph fünfzehn/ der Satzung der „Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft“ als Vorsitzender des Aufsichtsrates den Vorsitz dieser Versammlung.
Er eröffnet um 08.03 Uhr /acht Uhr und drei Minuten/ die heutige Versammlung der Gesellschaft und begrüßt die Erschienenen sowie Herrn Notarsubstitut Dr. Schwarz, der zur Beurkundung der Beschlüsse an der Hauptversammlung teilnimmt.
Der Vorsitzende stellt fest:
Eine Kundmachung der Einberufung zur heutigen Hauptversammlung war nicht erforderlich, da der einzige Aktionär vom Termin der Versammlung und von der Tagesordnung derselben rechtzeitig verständigt worden ist.
(…)
Der Alleinaktionär wird durch Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Eberle laut Vollmacht vom 28.8.2001 /achtundzwanzigsten August zweitausendeins/, Beilage eins, vertreten.
Der Vorsitzende unterfertigt das Verzeichnis der vertretenen Aktionäre der Gesellschaft und legt es im Sinne des § 110 /Paragraphen einhundertzehn/ des Aktiengesetzes zur Einsichtnahme während der Versammlung auf. Beilage zwei.
Also nachdem der Eberle den Eberle gehörig begrüßt hat, unterfertigt er das Verzeichnis, in dem nur der Eberle steht, und legt es diesem zur Einsichtnahme vor.
Und dann beschließt dieser. Und der Notar notiert. Hier wieder aus dem Protokoll vom 30. August 2001, wo es mit der Zustimmung im Namen aller Tirolerinnen und Tiroler zum mehr als dubiosen Cross-Border-Deal auch nicht grad um eine Bagatelle für die Zukunft des Landes geht:
"Der Vorstand der TIWAG-Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft wird seitens des Alleinaktionärs Land Tirol ermächtigt, die mit John Hancock und PCI/Potomac Capital Investment Corporation verhandelte Punktation ("Term Sheet") betreffend eine US-Leasingtransaktion für die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz nach ihrer Finalisierung abzuschließen, sobald zumindest Absichtserklärungen geeigneter kreditgebender Banken vorliegen.
Weiter wird der Vorstand der TIWAG-Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft seitens des Alleinaktionärs Land Tirol ermächtigt, eine US-Leasingtransaktion für die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz mit allen Transaktionsparteien zu verhandeln und unter den folgenden Voraussetzungen abzuschließen:
a) Der Netto-Barwertvorteil (nach Abzug sämtlicher Kosten) beträgt zumindest S 850.000.000--/achthundertfünfzig Millionen Schilling/;
b) die Transaktion wird auf Grundlage der Punktation („Term Sheet“) verhandelt, wobei der Vorstand Modifikationen und Ergänzungen zustimmen darf, deren Vereinbarung in der Gesamtsicht im Interesse der TIWAG liegt;
c) in der nächsten auf den Abschluss der Transaktion folgenden Aufsichtsratssitzung wird über die Transaktion Bericht erstattet.
Damit liegt die Genehmigung im Sinne des Beschlusses des Aufsichtsrates der TIWAG-Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft vom 22.8.2001 /zweiundzwanzigsten August zweitausendundeins/ vor.“
Wir werden noch darauf zurückkommen.
5.2.2005
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