Aus der Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung
zum TIWAG-Projekt am Tauernbach
„Keine nachhaltige Strategie“
Der Tauernbach ist durch eine extrem
ungleiche Verteilung der Abflüsse zwischen Winter- und Sommerhalbjahr gekennzeichnet. Während im langjährigen Durchschnitt nur rund 9 % des Wassers zwischen Oktober und März abfließen, sind es zwischen April und September bis zu 91 % und davon der überwiegende Teil wiederum nur in den Monaten Juni, Juli und August. Die Energieerzeugung eines Ausleitungs-Laufkraftwerkes am Tauernbach würde daher zum allergrößten Teil nur im
Sommer stattfinden, in einer Zeit also, in der in Tirol ohnehin Überschüsse produziert werden. Mangels eines Speichers müsste diese Energie zwingend genau im Moment der Erzeugung zu welchen Preisen auch immer verkauft oder besser gesagt am Markt untergebracht werden. Damit mögen zwar gegenwärtig Gewinne entweder direkt oder im Umweg der Gewährleistung von Gegengeschäften (z.B. Importe zu Mangelzeiten) erzielbar sein, von einer langfristig
nachhaltigen Strategie im Sinne einer Versorgungssicherheit bzw. einer möglichst großen Unabhängigkeit von ausländischer Versorgung kann aber
keinesfalls gesprochen werden. Die (längerfristige) Sinnhaftigkeit des Projektes ist daher massiv in Zweifel zu ziehen, wobei insbesondere zu bedenken ist, dass große Wasserkraftanlagen eine Bestandsdauer von rund 100 Jahren aufweisen und daher auch entsprechend zukunftsorientiert konzipiert werden sollten.
„Option verschenkt“
Der Verzicht auf
jede Form einer (Zwischen-)Speicherung bzw. auch nur vorübergehenden Wasserumlagerung womit also keineswegs eine Großspeicherung von Wasser gemeint ist - ist gleichbedeutend mit dem Verzicht auf selbst eine begrenzte Anpassung an die Erfordernisse und Chancen des Strommarktes, was einer
Vergeudung von Effizienzpotenzial gleichkommt. Da u.a die heutigen Randbedingungen des Strommarktes zu einer steigenden Volatilität des Strompreise führen (sehr große Differenzen zwischen einzelnen Tagen oder fallweise auch nur Stunden) wäre bereits ein relativ kleiner Speicher geeignet, die Erzeugung wenigstens kurzfristig die Zeiten hoher Strompreise zu verschieben bzw. sich diesen Zeiten besser anzupassen. Ist keinerlei Speichermöglichkeit vorhanden (wie beim gegenständlichen Projekt), wird diese Option
verschenkt, was zu entsprechenden Erlösdefiziten führen würde bzw. keine Erlösoptimierung zulässt. Eine Wasserkraftanlage ohne Speicherung stellt daher insbesondere unter den konkreten Gegebenheiten eindeutig eine suboptimale Lösung dar. Abgesehen von der Erlössituation würde jedoch auch aus gesamthafter energiewirtschaftlicher Sicht der zunehmend steigende Anteil an fluktuierenden erneuerbaren Energien (Wind und Solar) unbedingt einen flexibleren Einsatz einer viel besser steuerbaren Wasserkraftanlage erfordern.
„Sanierungsbedarf“
Beim derzeitigen Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass sich der Tauernbach in der Projektstrecke nur in einem „mäßigen" Gewässerzustand befindet, was einen Sanierungsbedarf gemäß den gesetzlichen Bestimmungen (auf Basis EU-Wasserrahmenrichtlinien) auslösen würde. Das gegenständliche Projekt wäre mit diesem Sanierungsbedarf nur schwer vereinbar.
„Kehrtwendung der Argumentation“
Glaubwürdigkeit bzw. Akzeptanz
im Großen nicht gegeben, weil „Kehrtwendung" zu der seit 2004 (Optionenbericht) von Politik, TIWAG und Experten stets transportierten und (mehr oder weniger gut) kommunizierten Argumentation, dass die Nutzung der großen Wasserkraftressourcen in Tirol in Form von
Speicherkraftwerken erfolgen muss, um den damit erzeugten Spitzenstrom in Fortführung der bewährten Energie- und Unternehmenspolitik des Landes zur
tauschweisen Beschaffung der nötigen Grundlast einzusetzen.
„Gegnerschaft wird weiter Widerstand leisten“
Glaubwürdigkeit bzw. Akzeptanz ebenso
im Kleinen nicht gegeben, weil die „Gegnerschaft"
entweder den Wegfall eines Speichers (wie im ursprünglichen Projekt Raneburg-Matrei vorgesehen) als Teilerfolg werten und daher auch gegen das neue Projekt weiter Widerstand leisten oder
aber vermuten wird, dass dieser Speicher im Nachhinein ohnehin gebaut werden soll, was den gleichen Effekt hätte.
Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Wasserwirtschaft/Energiewirtschaft)
Hervorhebungen im Original; Zwischentitel von uns